09 Januar 2024

Kometenhaft 03 - Familie

Mittwoch 14. Juni

Familie ist doch das Größte, oder?

Ich hatte gerade wieder mal ein längeres Telefonat mit meiner Mutter, deswegen muss ich mich hier einfach über meine Familie auskotzen:

Gut, fange ich am besten damit an, dass ich eigentlich aus einer normalen ländlichen Arbeiterfamilie komme. Aufgewachsen auf dem Dorf, kann ich auch heute nicht so besonders viel mit Städten anfangen. Und deswegen gehe ich auch gerne mal raus aus der Stadt, oder zumindest in den Park, um etwas Ruhe zu finden. Das Stadtleben ist mir einfach zu hektisch und in die Fußgängerzone gehe ich höchstens in Begleitung (am liebsten mit Vanessa Eis essen), oder wenn es nicht anders geht. Sonst ist mir ein Ausflug in die Natur lieber.

Leider gibt es auf dem Land keine Hochschulen, deswegen musste ich nun doch in die Stadt ziehen.

Mit meinen Eltern habe ich wahrscheinlich die üblichen Probleme, die eigentlich jeder hat, ich empfinde sie jedoch als besonders stark.

Bei meinem Vater ist es am schlimmsten. Obwohl seine beiden Söhne längst erwachsen sind, versucht er uns noch vorzuschreiben, was wir tun sollen. Bei mir wollte er nach der Mittleren Reife, dass ich einen Beruf erlerne. Am besten den gleichen wie er. Ich ging stattdessen aufs Gymnasium.

Nach dem Gymnasium sollte ich dann Studieren. Stattdessen gönnte ich mir eine "Auszeit", in der ich Elektroniker gelernt habe.

Danach wollte er mir einen Job in seiner Firma aufdrängen, stattdessen ging ich nun doch studieren.

Dazu auch noch Elektrotechnik! Er hält nicht viel von "Strippenziehern".

Was er nicht so ganz verstanden hat: ich bin mit meiner Fachrichtung zufrieden. Vor allem, weil er mir hier gar nichts mehr sagen kann, weil er von Strom keine Ahnung hat.

Bei meinem Bruder verhielt er sich irgendwie anders. Wahrscheinlich weil der ja auch der Erstgeborene war. Ihn ließ er gewähren, und obwohl mein Vater auch von Kaufleuten keine hohe Meinung hat, hat er nichts gesagt, als mein Bruder Kaufmann werden wollte.

Dazu lässt sich mein Vater auf drei Sätze reduzieren: "Das setzt sich niemals durch!", "Da will das Ei intelligenter sein als das Huhn." und "Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht."

Also neuen Technologien gegenüber ist er äußerst kritisch eingestellt, so auch beim Computer in seiner Anfangszeit (inzwischen hat er selbst einen Laptop und einen Desktop).

Er ist der Meinung, dass er von allem mehr Ahnung hat, als seine Nachkommen, obwohl die inzwischen Erwachsen und höher gebildet sind als er.

Und der dritte Satz ist schon wortwörtlich. Er macht gerne Urlaub auf den spanischen, oder portugiesischen Inseln, aber wehe er bekommt da kein Schnitzel, oder eine Schweinshaxe.

Inzwischen ist er schon seit Jahren Rentner. Das Mietshaus, das er von seinen Eltern geerbt hat, renoviert er dabei noch immer selbst, und auch die Gartenarbeiten erledigt er alle alleine. Und das, obwohl er Herzprobleme hat wegen seiner ungesunden Lebensweise in jungen Jahren, er deswegen schon mehrere Herz-OPs hatte und einen Schlaganfall, und bald mehr Medikamente als Lebensmittel zu sich nimmt. Aber er weiss es ja besser.

Seine ganze Familie hat schon auf ihn eingeredet, dass er das Haus doch verkaufen solle, und sich einen schönen Lebensabend machen soll, aber erfolglos.

Meine Mutter ist zwar grundsätzlich ein aufgeschlossener Mensch, aber dennoch rückständig. Sie hat es inzwischen aufgegeben, meinen Vater noch zu irgendetwas zu überreden. Auch obwohl ich ihr schon gesagt habe, dass sie ihn wohl irgendwann tot im Garten des Mietshauses auffinden wird, weil er beim Rasenmähen in der prallen Sonne einen Kreislaufkollaps hatte.

Aber sie kann Vater einfach nichts entgegensetzen.

Übrigens: obwohl meine Eltern zwei Häuser haben und eins davon vermietet, bekomme ich keine Unterstützung fürs Studium. Meine Mutter jammert mir stattdessen immer vor, wie viel alles kostet, und dass Rentner ja kein Geld haben. Und Kindergeld bekommen sie ja auch keins mehr für mich, sonst hätten sie mir wenigstens das gegeben (angeblich). Ihre Finanzen halten sie ihren Kindern gegenüber jedenfalls geheimer als Area 51.

Mit BaföG sieht es aufgrund meiner "reichen" Eltern auch mies aus, und so bleibt mir nur, mir in der vorlesungsfreien Zeit einen abzurackern, damit ich fürs nächste Semester genug für Miete, Essen und Lernmaterialen zur Verfügung habe.

Deswegen lebe ich auch auf Sparflamme: WG, kein Auto, kein Urlaub, kein Ausgehen am Abend, nicht mal Kino. Danke Mama und Papa!!

Mit meinem Bruder komme ich auch nicht klar. Vor allem liegt es wohl an meiner Schwägerin, mit der ich inzwischen kein einziges Wort wechsle. Seine Freundinnen in der Vergangenheit waren immer ziemlich problematisch, aber die, die er schlussendlich geheiratet hat, war der Abschuss. Die Ausgeburt eines hochnäsigen Stadtmenschen, der allen vorschreiben möchte, wie sie zu leben und sich zu verhalten haben.

Mich hat sie mal als Bauern beschimpft, weil ich mich irgendwie am Tisch falsch verhalten hatte. Aus ihrem Mund sehe ich das jedoch inzwischen als Kompliment, denn Bauern sind ehrlich. Sie ist jedoch ein hinterhältiges Miststück.

Ich könnte mich noch mehr über meine Verwandtschaft auskotzen, aber ich fürchte das wühlt mich nur noch mehr auf und alles was ich im Moment will, ist Ruhe und Beständigkeit.

Ich versuche also schon seit geraumer Zeit, Abstand zwischen mich und meine Familie zu bringen. Mein Studium hat mir dabei sehr geholfen. In dieser Familie jedenfalls fühle ich mich einsamer, als unter fremden Leuten an der Hochschule. Vielleicht kann man auch mich als das "Schwarze Schaf" in der Familie bezeichnen. Aus meiner Sicht nicht unbedingt im negativen Sinne. Immerhin bin ich der Erste in meiner Familie, der studiert.

Vanessa hatte das zum Teil miterlebt, und mir voll und ganz recht gegeben. Vanessa, schon wieder Vanessa. Ich komme nicht von ihr los. Ich will nicht von ihr los kommen!

Zumindest habe ich jetzt die Ausgangslage für dieses Tagebuch skizziert, so wie Frank es als Start vorgeschlagen hat.

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